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Kottan ermittelt im Internet oder 20. 3. 1997 - Österreichische Polizei stürmt Internet-Provider Interview mit Michael Hermann, Co-Geschäftsführer der Firma VIP (ComDes GesmbH) Das Gespräch führte Harald Wosihnoj. (Fotos: Harald Wosihnoj) Harald Wosihnoj: Provider gestürmt, als ich es gehört habe, hätte ich nicht für möglich gehalten, was hier geschah. Michael Hermann: Das wäre auch für mich undenkbar gewesen. H.Wosihnoj: Was ist passiert? Ganz kurz. M.Hermann: Am Donnerstag kamen neun Leute der Wirtschaftspolizei in unsere Firmenräumlichkeiten und begannen unverzüglich mit der Demontage unserer InterNet Anlage. Die zum Betrieb dieser Anlage absolut notwendigen Computer wurden, ohne daß sie ordnungsgemäß heruntergefahren wurden, wie das bei Servern notwendig ist, einfach abgeschaltet, vom Strom abgesteckt. Mittem in die Arbeit und die Schreibvorgänge der Festplatten hinein, also eine vollkommen unsachgemäß. H.Wosihnoj: Wie sind die Beamten reingekommen? M.Hermann: Unsere Mitarbeiterin war ganz kurz vor dem Haus, und die Tür stand offen. Die Herren sind einfach reingegangen. H.Wosihnoj: Und Sie ... M.Hermann: Wir waren gerade bei einer bekannten Firma ein paar Häuserblocks weiter und sind dann auf Telefonat innerhalb von 5 Minuten hier gewesen. H.Wosihnoj: Was haben die Beamten gesucht? M.Hermann: Laut dem Hausdurchsuchungsbefehl hat ein Kunde im März 1996 (!) illegales Datenmaterial, das nicht näher bezeichnet ist, auf unsere InterNet Anlage eingespiel, in welcher Form ist auch nicht weiter ausgeführt - um dem Nachzugehen,wurde behauptet, müsse man die gesamte InterNet Anlage demontieren. H.Wosihnoj: Wer hat das entschieden, daß das notwendig ist? M.Hermann: Wer die wirkliche Entscheidung getroffen hat, weiß ich nicht, Tatsache ist, daß der Hausdurchsuchungbefehl von Frau Dr.Helene Partik-Pablé unterzeichnet ist. H.Wosihnoj: In einem solchen Fall gibt es meist Sachverständige, und irgendwie scheinen auch die beschlossen zu haben, diese Vorgangsweise sei der beste Weg zum Ziel? M.Hermann: Ich nehme an, daß daran Sachverständige beteiligt waren. Das liegt in der Entscheidung der Richterin, nicht? H.Wosihnoj: Hätten Sie es für möglich gehalten, daß so etwas in Österreich passiert? M.Hermann: In dieser Art und Weise sicher nicht, ich kann mir persönlich auch nicht vorstellen, daß das in irgendeiner Weise rechtlich gedeckt ist. H.Wosihnoj: Es soll sich um die Einspielung von kinderpornographischem Material gehandelt haben. Das war der Anlaß für das damalige Amtshilfeersuchen der Oberstaatsanwaltschaft München aus dem Jahr 1996. Das offensichtlich erst nun von der österreichischen Justiz bearbeitet wurde. Lesen Sie alle Mails und alle Postings, die von ihren Usern reinkommen? M.Hermann: Es kommen pro Tag z.B. in den Newsgroups so an die 2-5 Mio. Nachrichten pro Tag. Pro Sekunde also 10 - 20 Schreibmaschinenseiten. Sie können sich selber ausrechnen, was der Aufwand wäre. H.Wosihnoj: Und wenn Sie die alle zensurieren müßten, was wäre dann? M.Hermann: Erstens mal ist es nicht die Aufgabe der Provider, Inhalte zu zensurieren. Die Provider sind keine Zensuranstalt ... zweitens müßte ich wahrscheinlich so an die 1000 Angestellte haben, die das jeden Tag lesen - völlig unmöglich! H.Wosihnoj: ... auch nicht zu kontrollieren ... ? M.Hermann: Auch nicht zu kontrollieren. In Österreich herrscht Meinungsfreiheit und das Internet ist nur Mittel, um Meinungen zu transportieren. Wir sind nur das Transportmittel, wie das zum Beispiel die Post ist. Oder eine Telefongesellschaft. Es ist nicht Sinn und Zweck eines Providers, die Inhalte ihrer Kunden zu kontrollieren. Sollten da illegale Inhalte da sein, so verurteilen wir das. Aber wie gesagt, der Urheber ist der Kunde - und nicht der Provider! H.Wosihnoj: Wenn die Polizei jemanden in dieser Affäre verhaften will, wen würden Sie empfehlen? M.Hermann: Ja, ich finde die Polizei sollte hauptsächlich die Urheber, die Produzenten von solchem pornographischen Material ausforschen. Das wäre eigentlich - würde ich sagen - der richtige Weg, und wir InterNet Provider wären auch bereit, in dieser Frage mit den Behörden zusammenzuarbeiten. D.h. man hätte uns auch fragen können, z.B. welcher User das war bzw. uns mit Material und Fragen versorgen können. Wir wären bereit gewesen, mit den Behörden zusammenzuarbeiten. H.Wosihnoj: Sind sie gefragt worden? M.Hermann: Wir sind nicht gefragt worden! H.Wosihnoj: Wenn es eine telefonische Bombendrohung gäbe, wäre die analoge Verhaltensweise, das Wählamt zu verhaften. Würde der Vergleich ungefähr zutreffen? M.Hermann: Es ist wie, wenn ein Autounfall passiert, und man verhaftet den Tankwart, der das Auto betankt hat. H.Wosihnoj: Was wünschen Sie sich für die Zukunft? Beteiligt waren Behörden, beteiligt waren Politiker (d.h. konkret Frau H.Partik-Pablé - allerdings in Ihrer Rolle als Richterin). M.Hermann: Erstens wünsche ich mir natürlich, daß wir sehr schnell wieder an unsere Geräte und Anlagen kommen. Das ist für sehr viele Kunden sogar eine existentielle Frage .... H.Wosihnoj: Zahlt Ihre Versicherung den Schaden? M.Hermann: Welche Forderungen in der Folge von den Kunden gestellt werden können, ist noch ungeklärt, es haben aber schon einige ihre Ansprüche angemeldet. Zweitens hoffe ich, daß es gelingt, den Urhebern von illegalem Material auf die Spur zu kommen, die dieses sehr moderne und äußerst wichtige Kommunikationsmittel Internet mißbrauchen. Aber da sind wir schon bei der Frage: Wer ist Schuld, die Pistole oder der, der abdrückt. H.Wosihnoj: Das kann ja offensichtlich ihren Providerkollegen jederzeit auch passieren? M.Hermann: Das könnte, wenn die Vorgangsweise, die jetzt eingeschlagen wurde, gebilligt wird, jeden Provider treffen .... H.Wosihnoj: Also auch das Rechenzentrum der Universität Wien ... ? M.Hermann: ... nur ist es sicher mehr Arbeit, alle Rechner der Universität abzutransportieren als die Rechner der Firma VIP (alias ComDes), möchte ich mal aktuell dazusagen. Ich wünsche mir eine vernünftige Zusammenarbeit mit den Behörden. Wir sind gerne bereit, die Behörden mit unserem Anschauungsmaterial und Know-How zu unterstützen, damit sie leichter Ermittlungen gegen die Hersteller solchen illegalen Materials durchführen können. H.Wosihnoj: Welche Voraussetzungen braucht es Ihrer Meinung nach, damit die richtigen Maßnahmen gesetzt werden? M.Hermann: Ich hoffe, daß die Maßnahmen, die die Internetprovider nun alle gemeinsam treffen, die auch morgen bei der Pressekonferenz näher dargestellt werden, dazu beitragen. Und ich hoffe, daß das ausreichende Maßnahmen sein werden. H.Wosihnoj: Im internationalen Vergleich .... wie steht Österreich mit diesem Vorgehen da? Auf dem Weg zu ihrem Büro in Wien-Donaustadt steht links ein Schild: 500 moderne Büros entstehen. Rechts geht die Abzweigung nach Kaisermühlen. Nichts gegen Kaisermühlen, aber ist das jetzt Kaisermühlenblues, modernes Wien, oder was? M.Hermann: Wirkt eher nach Kaisermühlenblues. Ich unterstelle den Behörden durchaus gute Absichten. Ich möchte also festhalten, daß die Bekämpfung von illegalem Datenmaterial legitim ist und von uns Providern auch nach Kräften unterstützt wird. Dafür kritisieren wir die Behörden nicht. H.Wosihnoj: Aber die konkrete Vorgangsweise war doch komplett daneben? M.Hermann: Diese konkrete Vorgangsweise war total überzogen und offensichtlich auch rechtlich nicht einwandfrei. Ich nehme an, daß für die Behörden das Internet noch zu unbekannt und zu neu ist, als daß sie durchschauen, was zum Beispiel so eine Abschaltungsaktion, wie sie sie durchgeführt haben, für Folgen für die Kunden und für uns als betroffene Firma haben. Es ist praktisch die Stillegung eines Wirtschaftsbetriebs. Einerseits wird gesagt, wir brauchen mehr Unternehmen in Österreich, andererseits wird sehr rücksichtlos vorgegangen. H.Wosihnoj: Kann es sein, daß sich die Behörde nicht bewußt war, was sie mit so einer Maßnahme bewirken kann und was nicht? M.Hermann: Ich nehme mal an, daß sie sich darüber nicht klar war. Ich kann mir nicht vorstellen, daß sonst ein so - fast würde ich sagen - böswilliges Vorgehen stattgefunden hätte. H.Wosihnoj: Wenn die richtigen Schlüsse daraus gezogen werden, wird sowas in der Form nie wieder passieren? M.Hermann: Genau. Und da ist jetzt auch die Aufklärungsarbeit der Internetprovider notwendig. Das wird morgen ganz massiv in Angriff genommen, um das Bild der Internetprovider richtig darzustellen. H.Wosihnoj: Was würden Sie den Usern empfehlen, die offensichtlich auch Verantwortung tragen? M.Hermann: Je mehr Freiheit man hat, desto mehr Verantwortung hat man auch. Und grade das Internet sollte ja der Freiheit des Anwenders sehr dienlich sein. Deswegen muß man sehr sensibel damit umgehen. Das heißt, man sollte davon absehen, bedenkliche Inhalte ins Internet hineinzustellen oder auch abzurufen. Weil es einen Mißbrauch dieses Mediums darstellt. Und letztendlich allen, die diese große und wunderschöne Freiheit des Internets benützen wollen, schadet. Denn, wenn sich dann herausstellt, daß das Internet so mißbräuchlich verwendet wird, dann wird der Druck von außen größer und das ganze Internet und ALLE Anwender geraten in Verruf - und das eigentlich völlig zu Unrecht. H.Wosihnoj: Wahrscheinlich wird es immer ein paar Leute geben, die sich über alle Grenzen hinwegsetzen ... ich frage sie jetzt nicht, was soll man da tun, sonder nur: Was würden Sie für einen Weg vorschlagen, um zu einer Lösung zu kommen? Es müssen offensichtlich ein paar Gruppen von Leuten miteinander reden, also Provider, Politiker, User, Behörden und das vielleicht nicht nur auf Österreich beschränkt. M.Hermann: Ich glaube, daß dieser Fall internationales Aufsehen erregen wird und dadurch die Diskussion in Gang gekommen ist. Lösungsvorschläge hier anzubieten .... ich möchte der morgigen Pressekonferenz ehrlich gesagt nicht vorgreifen, was diese Lösungsvorschläge anbelangt. H.Wosihnoj: Wie könnte ein Lösungsweg ausschauen? Das es nicht so schnell gehen wird, ist uns eh beiden klar? M.Hermann: Natürlich nur in der Zusammenarbeit aller Kräfte, die beteiligt sind. Das heißt, es müssen alle zusammenarbeiten. Die User, die Provider, und auch die Behörden und Politiker. H.Wosihnoj: Halten Sie es für sinnvoll, wenn sich das Parlament einmal ausführlich mit der Materie Internet beschäftigt? M.Hermann: Ja. Ich möchte allerdings anmerken, man muß da auch sehr wissen, wovon man redet. Ohne eine entsprechende vorherige Information, damit die Leute endlich einmal wissen, worüber sie wirklich reden, hat es eigentlich keinen Sinn. Also zuerst informieren, schauen, was das Internet ist, was es leistet, was es kann .... und dann diskutieren! H.Wosihnoj: Da kommt wahrscheinlich auch die Politik nicht daran vorbei? M.Hermann: Sicher nicht. Wie soll man auch eine kompetente Aussage treffen, ohne daß man wirkliche Informationen besitzt. H.Wosihnoj: Ich danke für das Gespräch. erich-moechel@quintessenz.at |