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Datenschützer Max Schrems vor zwei gekreuzten Fähnchen EU und USA

APA/AFP/JOE KLAMAR / CC BY 2.0

Erich Moechel

Neues transatlantisches Datenabkommen in der Schwebe

Bei den seit dem Frühjahr stagnierenden Verhandlungen über ein neues Datenabkommen EU-USA soll ein Durchbruch unmittelbar bevorstehen. Ein skeptischer Max Schrems im Dialog mit ORF.at.

Von Erich Moechel

In die hinter verschlossenen Türen geführte Diskussionen um das neue Datenabkommen zwischen der EU und den USA haben sich nun Experten im Dienst der Öffentlichkeit eingeschaltet. Max Schrems und die Datenschutzorganisation NOYB kritisieren, dass zwei Jahre nach dem Aus für „Privacy Shield“ vor dem EU-Gerichtshof (EuGH) kein Ansatz für eine Lösung vorliegt.

In den Verhandlungen konnten die USA bis jetzt offenbar keine Garantien geben, dass diese personenbezogenen Daten aus der EU für US-Geheimdienste tabu sind. Nicht zuletzt wegen des aktuellen CIA-Spionageskandals um SWIFT-Finanzdaten aus der EU erwartet sich Schrems wenig von einem für die kommende Woche angekündіgten US-Präsidialerlass.

Screenshot aus Dokument

EU-Kommission

Über das neue „Trans-Atlantic Data Privacy Framework“ ist nicht viel mehr bekannt, als dass im März Verhandlungen zwischen den USA und der EU eine „grundsätzliche Einigung“ - auf was auch immer - ergeben hätten. Greifbare Ergebnisse sind bisher ausgeblieben, bis dato gibt es nur dieses Fact-Sheet der EU-Kommission von Ende März

Eine neue „Executive Order“ des Präsidenten

Das jüngste transatlantische Treffen hatte in der vergangenen Woche auf Ministerebene stattgefunden, eine gemeinsame Erklärung gab es nicht.

Das ist der bisherige Wissenstand, denn die jüngsten Verhandlungsrunde vor zehn Tagen hatte sang- und klanglos geendet. Das Magazin „Politico“ berichtet allerdings, dass US-Präsident Joe Biden im Zusammenhang mit dem Datentransferabkommen eine neue „Executive Order“ unterzeichnen werde. Politico berief sich dabei auf drei namentlich nicht genannte hohe Beamte im Weißen Haus, die als ehestmögliches Publikationsdatum Montag (3.Oktober) genannt hätten. Politico ist eine Publikation der deutschen Axel Springer SE, deren bekannteste Marke die Bild-Zeitung ist.

Titelbild: Collage FM4 / CC BY 2.0 / Flickr

„Executive Orders“ sind verbindliche Dienstanweisungen an US-Beamte von höchster Stelle, denn nur der Präsident der USA ist ermächtigt, solche Anweisungen zu erlassen. Laut der EU-Kommission sollte die erwartete Anweisung neue „rigorose“ Absicherungsmaßnahmen einziehen, um zu garantieren, dass „Maßnahmen der Nachrichtenaufklärung notwendig und ausgewogen im Sinne der nationalen Sicherheitsinteressen“ seien. Außerdem sei „eine rigorose, mehrstufige Überwachung der Aktivitäten zur Nachrichtenaufklärung“ durchzuführen, um „die Einhaltung der Einschränkungen für Nachrichtenaufklärung“ zu gewährleisten. Außerdem sei ein „Rechtsschutzmechanismus durch eine unabhängige Instanz mit der Befugnis, Maßnahmen zur Entschädigung und Wiedergutmachung einzuleiten“ vorgesehen.

Screenshot aus Dokument

US-Regierung

Dieser Ausschnitt stammt aus dem Fact Sheet der USA. Auch hier ist von „rigoroser Kontrolle“ die Rede und Nachrichtenaufklärung - in Daten aus Europa - sei nur dann zulässig, wenn sie „legitimen nationalen Sicherheitsinteressen diene“.

Das sagt Max Schrems dazu

Ein neuer CIA-Skandal um Zugriffe auf das SWIFT-System, der seit Jahresanfang brodelt, überschattet das neue Datentransferabkommen EU-USA.

Was man aus Brüssel dazu höre, sei nicht eben ermutigend sagte Max Schrems zu ORF.at. Das hochgepriesene „Gericht zur Überprüfung des Datenschutzes“ sollte sich eher als eine Variation der Datenschutz-Ombudsperson wie im „Privacy Shield“-Abkommen herausstellen, die der EuGH bereits als ungenügend verworfen hatte. Und davon, dass sich die sattsam bekannte Massenüberwachung durch NSA und Co, die europäische Daten wie alle anderen Daten aus beliebigen Drittstaaten behandeln, auf ein „erforderliches und ausgewogenes“ Maß reduzieren ließe, sei man in Brüssel auf Beamtenebene so gar nicht überzeugt.

„Nachdem zuerst eine fertige Lösung bis zum Jahresende versprochen wurde, werden bis dahin gerade erst die ersten Schritte gesetzt. Und die führen offenbar nicht zu einer fertigen Lösung, sondern in Richtung eines weiteren schrägen Deals“ so Schrems weiter. Es sei schon überraschend, dass zwei Demokratien, die sich prinzipiell darüber einig seien, dass Überwachungsmaßnahmen durch ein ordentliches Gericht kontrolliert werden müssten, kein ordentliches Abkommen zustande brächten. „Wie es aussieht herrscht in den USA noch immer die Einstellung, dass Nicht-Amerikaner keine Grund- und Bürgerrechte verdienen.“

Max Schrems

Public Domain

Max Schrems bei einem Hearing im EU-Parlament nach dem Aus für „Privacy Shield“ Anfang September 2020. Da der gesamte Videostream der Sitzung immer noch im Netz ist, kann man dort laut und vernehmlich hören, wie Justizkommissar Didier Reynders dem Parlament versicherte, dass es kein weiteres solches Abkommen mit den USA geben werde. Schrems hatte hingegen betont, dass kein Weg an einem echten „No-Spy-Abkommen“ mit den USA vorbeiführe, um wirkliche Sicherheit zu erlangen. Dazu die aktuelle Stellungnahme von NOYB, die nach dem Ende von „Privacy Shield“ 2020 Klagen gegen 100 Unternehmen aus dem EU-Raum eingereicht hatten, die weiterhin alle Daten ihrer Benutzer automatisch an Google und Facebook weitergaben.

Status Quo Rechtsunsicherheit

Nach Monaten des Mauerns wird die Kommission nun doch der Weitergabe von Daten aus dem SWIFT-System an die CIA nachgehen.

Es sei im Grunde ganz einfach, meint Schrems. Sollte auch diese dritte Rahmenvereinbarung keine Vorkehrungen zum Schutz der Daten europäischer Bürger:innen enthalten, werde auch dieses Abkommen vor dem europäischen Gerichtshof landen. Der Ausgang dieses Verfahrens sei anhand der Sprüche des EuGH zu „Safe Harbor“ und „Privacy Shield“ recht einfach hochzurechnen. Es wäre ein Jammer, wenn sich der Zustand der Rechtsunsicherheit prolongiere, den die EU-Kommission gemeinsam mit den USA zu verantworten haben, sagte Schrems abschließend.

Was die aktuelle Rechtsunsicherheit betrifft, so untersucht die Kommission gerade, wie die CIA an enorme Konvolute europäischer Finanztransferdaten aus dem europäischen SWIFT-System kommen konnte. Diese massiven Datensätze aus dem EU-Raum werden von Europol im Rahmen des transatlantischen TFTP-Vertrags gegen Terrorfinanzierung auf monatlicher Basis an das US-Finanzminmisterium zur gemeinsamen Fahndung nach den Hintermännern von Terroristen transferiert. Kopien und Weitergabe dieser Datensätze an US-Geheimdienste verbietet dieser Vertrag ebenso, wie auch Data-Mining explizit untersagt ist. Über all das hat sich die CIA hinweggesetzt und dabei auch noch gegen US-Gesetze verstoßen, indem dieses Vorgehen jahrelang vor dem Geheimdienstausschuss des Senats geheimgehalten wurde.

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