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Symbolbild Künstliche Intelligenz: Menschliches Kopf vermixt mit Halbleitern

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Erich Moechel

EU-Pilotprojekt mit „Hochrisiko“-KI für Polizeibehörden

Big-Data-Analysetools für Strafverfolger sollen in mindestens zwei Innenministerien des EU-Raums vor Ort zu Trainigszwecken der „künstlichen Intelligenz“ auf „echte, großdimensionierte Datensätze“ losgelassen werden.

Von Erich Moechel

Im EU-Parlament und im Ministerrat wird aus einem Kommissionsentwurf gerade die Verordnung zu „Künstlicher Intelligenz“ (KI) erstellt. Kommission wie EU-Parlament stufen den Einsatz von KI in den Bereichen Gesundheit und Strafverfolgung gleichermaßen als „Hochrisikoanwendungen“ ein, für die besonders strikte Auflagen gelten sollen.

Während es derzeit also noch keine Regelwerk für KI gibt, hat die EU-Kommission einen Forschungsauftrag ausgeschrieben, der einer Höchstrisikoanwendung gleichkommt. KI-Anwendungen sollen nämlich in mehreren Innenministerien der EU vor Ort anhand von echten Datensätzen trainiert werden. Die Ausschreibung läuft bis Mitte Mai.

Screenshot aus Dokument

EU Kommission

Dieses Datamining-Projekt in massiven Datensätzen wurde im Februar zusammen mit drei weiteren Projekten ausgeschrieben, Deadline ist der 17. Mai. Für das gesamte Paket stehen 58 Millionen Euro an Budget zur Verfügung.

„Große Pilotprojekte bei Polizeibehörden“

Bei Europol haben sich mehrere Petabyte an personenbezogenen Datensätzen angesammelt, die zum Zweck des Data-Minings laufend auf Vorrat gespeichert werden.

Ziel sei es, KI-Systeme zu validieren und den Einsatz von KI-Systemen durch Polizeibehörden zu ermöglichen. Dafür brauche es „großdimensіonierte Pilotprojekte vor Ort bei Polizeibehörden“; um nämlich KI-Systeme zu validieren, würden echte Datensätze benötigt, die eben nur in einem abgesicherten Umfeld durchgeführt werden könnten. Wegen der „sensitiven Natur von Daten aus Ermittlungen“ kämen dafür nur Polizeibeamte in Frage, da es sich ja um echte Datensätze handle.

Diese Einleitung suggeriert, dass hier nur Datensätze prozessiert werden, die im Zusammenhang mit strafrechtlichen Ermittlungen stehen. Tatsächlich ist das Gegenteil der Fall, denn anders als bei Datenbankabfragen wird nicht gezielt etwa nach Namen oder Stichworten gesucht, sondern massive Datensätze auf Verhaltensmuster, zeitliche Koinzidenzen und Ähnliches analysiert. Allein, um eine solche polizeiliche KI-Anwendung anzulernen, braucht es aber massive Datenkontingente im Terabyte-Bereich. Analysiert werden dabei Datensätze, die auf unbeteiligte Personen verweisen, gegen die gar kein Verdacht vorliegt.

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EU Parlament

/Sowohl das EU-Parlament wie der Ministerrat sind derzeit dabei, ihre jeweiligen Positionen zum KI-Regulierungsentwurf der EU-Kommission festzulegen. Federführend unter den insgesamt fünf beteiligten Parlamentsausschüssen sind dabei IMCO (Binnenmarkt und Verbraucherschutz) und LIBE (Bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres). Die anderen drei Ausschüsse haben ihre Positionen im März schon vorgelegt.

Eine „Intelligence Platform“ für Europas Polizei

Das KI-Projekt „Infinity“ wird vom Rüstungskonzern Airbus angeführt, „Aida“ koordiniert die italienische Ingegneria Informatica, die ebenfalls im Verteidigungssektor tätig ist

Diese Vorhaben diene dazu, „die Lücke zwischen Prototypen zu schließen, die mithilfe von EU-geförderten Sicherheitsforschungs- und Innovationsprogrammen entwickelt wurden, sowie Systemen, die ihre Nützlichkeit bereits in operativen Umgebungen klar bewiesen“ hätten. Gemeint sind damit vor allem die im Rahmen des „Horizon 2020“-Forschungsförderungsprogramms der Kommission entwickelten Projekte wie „Insikt“, das mittels KI soziale Netzwerke nach potenziellen Terroristen absuchen soll. Oder die mit 14,5 Millionen Euro dotierten Forschungsprojekte „Infinity“ und „Aida“, letzteres ein „integriertes, modulares und flexibles Framework“, das „Cybercrime und terroristische Aktivitäten identifiziert, analysiert, bekämpft und verhindert“.

Diesem und noch drei weiteren KI-Projekten lag logischerweise noch kein Regelwerk zugrunde. Einzelne Systeme gingen danach direkt in den operativen Betrieb über. Die spanische Firma „Insikt Intelligence“, die aus dem ebenfalls im Rahmen des Programms Horizon2020 geförderten Projekt „Insikt“ hervorgegangen ist, begann gleich nach Projektabschluss ihr Produkt „Inviso“ für Strafverfolger anzubieten. Laut Angaben der Firma wird diese „Intelligence Platform“, die massenhaft Daten aus Sozialen Netzwerken verarbeitet, zusammen mit „Praktikern aus Polizeibehörden“ laufend weiterentwickelt. Aus diesen Projekten will man offensichtlich eine ausgewachsene Analyse-Suite für Strafverfolger in der EU entwickeln.

Screenshot aus Dokument

EU Kommission

Welche Datensätze in den Innenministerien verarbeitet werden sollen, wird natürlich nicht bekanntgegeben. Gesucht wird jedenfalls nach Mustern und Korrelationen in „illegalen Inhalten und unstrukturierten Datensätzen“, also in abgefangenen Chats, aber was da aufgezählt wird, langt nie und nimmer, um eine KI zu trainieren. Dafür sind Abermillionen Datensätze nötig - das heißt, hier müssen auch ganz große Datenbanken der Innenministerien als Datenlieferanten herangezogen werden.

Überwachung mittels Open Source

Das Projekt „Darlene“ soll kriminelle Aktivitäten voraussagen und verhindern, eine der Sicherheitsauflagen ist laut Kommission „die Geheimhaltung bestimmter Ergebnisse“.

In mindestens zwei Innenministerien aus dem EU-Raum sollen solche großdimensionierten Pilotprojekte jeweils mindestens über sechs Monate laufen. Die Kommission stellt dafür Software-Tools zur Verfügung, die im Rahmen der sechs finalisierten oder auslaufenden KI-Projekte für Polizeibehörden entwickelt wurden. Dazu kommen weitere Tools, deren Entwicklung aus einem Fonds der Kommission zur Technologieförderung bei Behörden finanziert wurde. Dafür stehen fünf Millionen Euro zur Verfügung; falls eigene Software zur Vernetzung dieser Tools produziert wird, dann hätte man das seitens der Kommission gern günstig bis gratis, Open Source werde dabei überhaupt der Vorzug gegeben.

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