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Glasfaserkabelbündel

noeGIG/Mirau

Erich Moechel

Neue Breitbandförderung noch mit Schönheitsfehlern

Die bisher mit Abstand höchste Förderung zum Ausbau wird von einer Sonderrichtlinie begleitet, die insgesamt überraschend zukunftsweisend geraten ist. Getrübt wird das durch konfliktträchtige Rahmenbedingungen, die aus der ersten Förderung übrig geblieben sind.

Von Erich Moechel

Die von den Glasfaseragenturen der Bundesländer mit Ungeduld erwartete zweite Breitbandmilliarde ist nun in Sichtweite. Seit Ende April ist eine Sonderrichtlinie in der Höhe von 1,4 Milliarden Euro in Begutachtung. Damit ist für den weiteren Ausbau der Glasfasernetze Planungssicherheit gegeben, auch wenn die ersten Gelder erst zu Jahresende abgerufen werden können.

Die Glasfaserexperten Heinz Pabisch und Igor Brusic von der Interessensvertretung AGGFA hoffen, dass die veralteten Kupfernetze diesmal nicht mehr mitgefördert werden und der gesamte Betrag an die Glasfaserbetreiber geht. Der Entwurf der Sonderrichtlinie „Breitband Austria 2030“ der Bundesregierung ist hier in mehreren Passagen nämlіch nicht eindeutig formuliert.

Traktor bei Verlegearbeiten

noeGIG/LENDL

Nicht nur in Niederösterreich können die Kabelpflüge - wie dieser hier, der für die Noegig pflügt - weiterfahren. Dasselbe gilt auch auch für Tirol, Oberösterreich, Kärnten und die Steiermark, wo ebenfalls Glasfasernetze errichtet werden.

„Kein Bandbreiten- sondern Infrastrukturproblem“

Dazu in ORF.at

Die neue Breitbandförderung mit der Rekordsumme von 1,4 Milliarden wurde von Landwirtschaftsministerin Elisabeth Köstinger Ende April vorgestellt

Der Löwenanteil in dieser Förderung, nämlich 891 Millionen Euro, stammen aus dem Resilienzfonds, den die EU-Kommission anläßlich der Covid-Krise aufgelegt hat. Dazu kommen die dafür gewidmeten Erlöse aus den Versteigerungen der 5G-Frequenzen in Österreich und schließlich 166 Mio, die schon im aktuellen Budget vorgesehen waren. Und diese Gelder sollten diesmal ausschließlich an Glasfasernetze bis zu den Endkunden gehen, argumentieren die beiden Experten. Bei den letzten Förderungen von 2017 bis 2020 seien noch gut 20 Prozent an DSL-Netze ergangen. Diese Kupfernetze seien technisch so restlos ausgereizt, dass kein weiteres Upgrade der Bandbreite mehr möglich sei.

"Österreich hat nämlich kein Bandbreitenproblem, sondern ein Infrastrukturproblem, sagte Pabisch, die Infrastrukturen auf der „letzten Meile“ zu den Benutzern müssten in ganz Österreich schlicht ersetzt werden, Brusic ergänzte „denn eine Evolution von Kupfer- zu Glasfasernetzen gibt es bekanntlich nicht“. Die Kupferkabel vor allem auf dem Lande wurden überwiegend noch vor den 1970er Jahren verlegt und dementsprechend ist ihr Zustand. Die darauf mit DSL-Technik noch erzielbaren Bandbreiten sind deshalb wie im Mobilfunk „bis zu“-Werte. Beim Mobilfunk ist es die Anzahl der gerade eingeloggten Smartphones der ausschlaggebende Faktor, im Fall von DSL sinken die Bandbreiten mit der Entfernung rapide ab.

Auszug aus dem Entwurf des Landwirtschaftsministeriums

BLMRT

Das ist die Definition des Landwirtschaftsministeriums für Fördergebiete, die unverändert von der letzten Breitbandförderung übernommen wurde. Die grundsätzliche Problematik diese Ansatzes ist hier in dieser Passage und in der Nächsten vollständig abgebildet. Auf der Website des BMLRT wird neben den Ausschreibungsunterlagen auch eine fein gerasterte Karte mit Geodaten angeboten. Aus formaljuristischen Gründen wurde der geplante Text in zwei Richtlinien verpackt, die ineinandergreifen.

Landgemeinden mit DSL-„Versorgung“

Diese siebenteilige Serie gibt einen Überblick über den Stand des Glasfaserausbaus in Österreich Letztstand Juli 2020. Die obersten drei angezeigten Artikel gehören nicht dazu.

Auch wenn am DSL-Konzentrator (theoretisch) 300 Mbit/sec zur Verfügung stehen, nach etwa hundert Metern ist bereits weniger als die Hälfte davon übrig, weiter dahinter sind die Bandbreiten nur noch zweistellig. Das heißt in einer typischen Landgemeinde sind gerade zwei, drei Dutzend Gebäude nahe am Konzentrator mit mindestens 100 Mbit/sec versorgt, der übrige Ort und die umliegenden Dörfer müssen sich mit weitaus weniger begnügen. Dort und an der Dorfperipherie liegt der erzielbare Datendurchsatz weit unter dem Mindestwert des für Breitband zuständigen Ministeriums für Landwirtschaft (BMLRT). Diese ungefähren Zahlen sind Erfahrungswerte, bis jetzt hat noch jede einschlägige Recherche bestätigt, dass solche Werte typisch für eine Landgemeinde mit DSL-Versorgung sind.

Am vorliegenden Entwurf der Sonderrichtlinie stoßen sich die beiden Experten dann auch daran, dass diese „bis zu“ Werte in der Definition der Fördergebiete absolut genommen wird. Damit sind all jene Gebiete von der Förderung ausgenommen, in denen irgendwo im Ort für eine Minderheit der Haushalte mindestens 100 Mbit/sec im Download zu erzielen sind. Somit sind alle Gemeinden, die über einen DSL-Konzentrator nahe der Ortsgrenze verfügen auf der Karte rot und somit als „nicht förderbar" markiert. Das sind nicht nur die meisten Gemeinden, sondern auch die attraktivsten Gebiete für jeden Netzbetreiber, in denen es auf engem Raum viele Kunden zu gewinnen - oder zu verlieren gibt. Dazu Heinz Pabisch:" Diese Kerngebiete können für einen eigenwirtschaftlichen Ausbau ohne Förderung attraktiv sein, wenn die Randgebiete und die peripheren Dörfer weggelassen werden. Gerade für diese wird ein späterer Ausbau immer schwieriger und immer kostenintensiver. Mit diesem Teilausbau eines Gemeindegebietes wird die digitale Kluft erhöht, statt dass sie abgebaut wird, wie es in der Breibandstrategie postuliert wird. Deswegen ist es umsomehr hervorzuheben, dass die Sonderrichtliniene einen flächendeckenden Ausbau fordern.“

Auszug aus dem Entwurf des Landwirtschaftsministeriums

BLMRT

Die beiden Kritiker an diesen Passagen sind der Direktor und der Vize der Action Group Gigabit Fiber Access. .

Absichtserklärungen und Gebietsschutz

Heinz Pabisch

CMG-AE

Dr. Heinz Pabisch ist seit seinem Einstieg in die Glasfaserabteilung von Alcatel in den späten 1980er Jahren mit der Glasfaser vertraut und gilt als Doyen der jungen Branche

Die gleich darunter aufgelisteten Kriterien für nicht-förderbare Gebiete sind ebenfalls nicht wirklich eindeutig formuliert. Und auch Absichtserklärungen sind enthalten, die bei vergangenen Breitbandförderungen immer wieder dazu eingesetzt worden waren, um bestimmte Gebiete gegen Konkurrenz zu schützen. Wenn in einem Gebiet nämlich „mit einem eigenwirtschaftlichen Breitbandausbau mit einer Download-Geschwindigkeit von mindestens 100 Mbit/s in den darauffolgenden drei Jahren zu rechnen ist“. Das kann nämlich ebenso gut bedeuten, dass die A1 Telekom sich verpflichtet, binnen drei Jahren einen alten DSL-Konzentrator durch einen neuen zu ersetzen, der dann gerade soviel Bandbreite an die nächsten paar Haushalte liefert, um die Nicht-Förderungskriterien zu erfüllen.

Die A1 Telekom ist zwar mit eigenen Glasfasern bis an DSL-Konzentratoren („Fiber to the Curb“ FTTC) präsent, hatte aber immer wieder erklärt, die letzten paar hundert Meter nicht mit Glasfaser auszubauen. Auch bei großzügigen Förderungen ѕei nämlich die Erschließung der „letzten Meile“ in den Geschäftsmodellen der Telekoms schlicht nicht darstellbar, sagen die Experten abschließend. Gemeint ist, dass die Akquisitionskosten pro Kunde viel zu hoch und der „Return on Investment“ viel zu gering sind, um von börsennotierten Konzernen in Betracht gezogen zu werden. Allgemein wird geschätzt, dass auch bei 50 Prozent Förderung noch rund 2.000 Euro pro Anschluss auf dem Lande übrig bleiben, die irgendwie finanziert werden müssen.

Wie es jetzt weitergeht

Igor Brusic

FTTH Conference 2015

Dr. Igor Brusic ist seit 15 Jahren in leitenden Positionen der Glasfaserbranche tätig. Derzeit ist er im Vorstand der Noegig für Strategie und Geschäftsfeldentwicklung zuständig.

Die ersten Gelder könnten erst gegen Jahresende fließen, meinen Pabisch und Brusic abschließend, das sei schon durch das Prozedere bedingt. Am Ende der Begutachtungsfrist müsse dann der endgültige Gesetzesentwurf erfolgen, der werde der Brüsseler Wettbewerbsbehörde vorgelegt, weil staatliche Zuschüsse an private Entitäten kontrollpflichtig sind. Dann könne das Gesetz verabschiedet und schlussendlich die Förderungen abgerufen werden.

Insgesamt gesehen ist diese Sonderrichtlinie, die diese Förderung in für Österreich bis dato einmaliger Höhe begleitet, überraschend zukunftsweisend geraten. Getrübt wird diese unüblich gute Bild durch konfliktträchtige Rahmenbedingungen, die aus der ersten Förderung übrig geblieben sind. Sie ist allerdings noch in Begutachtung, weshalb weitere Überraschungen nicht auszuschließen sind. Um die offenen Fragen zu klären wurde im zuständigen Landwirtschaftsministerium um eine Stellungnahme angefragt. Bis Redaktionsschluss war allerdings keine Antwort zu erhalten.

Hier wiederum geht es mit jenen Bundesländern weiter, in denen Glasfasernetze errichtet werden. Wie schon die erste Serie Letztstand Juli 2020, erscheint auch diese in loser Folge.

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