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Erich Moechel

Verhandlungen EU-USA zur Cloud-Überwachung gestartet

In aller Stille hat die EU Verhandlungen zum direkten Datenzugriff für europäische Strafverfolger auf Daten von Whatsapp, Youtube, Zoom und Co mit den USA begonnen. Die nächste Verhandlungsrunde ist für Juni anberaumt.

Von Erich Moechel

Der EU-Ministerrat hat hinter den Kulissen Verhandlungen mit den USA zum „grenzüberschreitenden Zugriff auf elektronische Beweismittel“ aufgenommen, das geht aus einem als „sensitiv“ eingestuften Ratsdokument hervor, das ORF.at vorliegt. Die erste Runde auf Diplomaten- und Beamtenebene wurde bereits am 26. März abgehalten. Erklärtes Ziel des Rats ist der direkte Zugriff auf Daten in den Clouds von WhatsApp, Youtube oder Zoom.

Die gleichnamige EU-Richtlinie zu transnationalen Datenzugriffen innerhalb der EU steckt allerdings derzeit in den Trilog-Verhandlungen zwischen Kommission, Rat und Parlament fest. Unter den Mitgliedsstaaten gibt es große Widerstände gegen solche grenzüberschreitenden Datenzugriffe, die alle nationalen Justizsysteme übergehen.

Dokumente zu: Neue EU-Verhandlungen mit den USA zur Cloud-Überwachung

EU-Ministerrat

Die relativ hohe Einѕtufung „sensitiv“ dieses bis jetzt noch nicht öffentlich bekannten Ratsdokuments ist auf die federführende Beteiligung hochrangiger Diplomaten zurückzuführen (siehe unten). „Stock taking“ bedeutet in diesem Zusammenhang, Gemeinsamkeiten zu definieren und die jeweils eigene Position zu den einzelnen Punkten festzulegen.

Fast zehn Jahre Vorlaufzeit

Bereits 2012 hatte die Arbeit an einem Schnittstellenstandard zum Abtransport von Daten aus Sozialen Netzwerken an Polizeibehörden begonnen.

Mit einer Vorlaufzeit von fast zehn Jahren, in denen Europol und nationale Strafverfolger aus Europa bei jeder sich bietenden Gelegenheit Zugriff auf die Daten von Facebook verlangt hatten, waren im Herbst 2019 Gespräche gestartet worden, bis auf ein informelles Treffen vor einem Jahr hatte sich jedoch weiter nichts getan. Unter dem neuen US-Präsidenten Joe Biden wird nun offenbar ernsthaft verhandelt, die erste Verhandlungsrunde war jedenfalls hochrangig besetzt.

Seitens der EU waren an diesem Treffen unter anderen der Generalsekretär des EU-Ministerrats, hohe Beamte der Ratsabteilungen Inneres und Justiz, Vertreter des Europäischen Auswärtigen Dienstes (EEAS) und Diplomaten der EU-Vertretung in Washington. Auf US-Seite waren es Beamte und Diplomaten von Außenministerium und Justiz, sowie der US-Delegation in Brüssel. Was die EU-Verhandler dort von der in Arbeit befindlichen EU-Richtlinie zum grenzüberschreitenden Zugriff berichtet haben, ist in dieser Kurzfassung nicht nicht im Detail festgehalten.

Dokumente zu: Neue EU-Verhandlungen mit den USA zur Cloud-Überwachung

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Während das Dokument selbst als „limité“ klassifiziert ist, fällt der gesamte Inhalt in die übergeordnete Geheimhaltungsstufe „sensitive“.

Ohne EU-Richtlinie geht nichts

Das Abkommen zwischen den USA und Großbritannien wurde wenige Monate nach dem Start der Verhandlungen im Herbst 2019 unterzeichnet.

Dazu steht dort nur ein einziger, allerdings sehr aufschlussreicher Satz: „Bis jetzt haben sich die Diskussionen auf die Definition von Service-Providern und die Datenkategorien konzentriert.“ Das heißt, in drei Monaten Trilog-Verhandlungen ist man immer noch dabei, Umfang und Inhalt von E-Evidence festzulegen, wie die Richtlinie EU-intern genannt wird. „Die Kommission betonte die Verbindung der Verhandlungen mit den USA zur EU-internen Regelung für grenzüberschreitenden Datenzugang“, so das Dokument. Das heißt, ohne EU-Richtlinie hängen die Verhandlungen in der Luft.

Deutlich mehr als die EU hatte die US-Seite zum allgemeinen Erkenntnisgewinn beizutragen. Wie aus dem Dokument nämlich hervorgeht, ist das erste solche Abkommen der USA mit Großbritannien aus dem Jahr 2019 bis jetzt nicht in Kraft, da es „noch immer eine ganze Reihe ungeklärter Fragen“ gebe. Das ist erstaunlich, weil die Rechtssysteme dieser beiden Staaten noch am ehesten untereinander kompatibel sind, während sie sich von den Rechtssystemen im EU-Raum erheblich unterscheiden. Das lässt langwierige Verhandlungen erwarten.

Dokumente zu: Neue EU-Verhandlungen mit den USA zur Cloud-Überwachung

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Die Frage nach dem Preis

Parallel dazu verhandelt EU mit den USA auch über ein gemeinsames Vorgehen gegen sichere Verschlüsselung im Netz

Auf militärischer Ebene unterhalten die USA und Großbritannien über den UKUSA-Vertrag bereits seit 1947 ein globales Überwachungs- und Datenaustauschsystem. Das war die Basis für die spätere „Five Eyes“-Spionageallianz. Mit einem weiteren Mitgliedstaat dieser Allianz, nämlich Australien verhandeln die USA gerade ein gleichgelagertes Abkommen, angeblich kommen diese Verhandlungen gut voran. Des weiteren gab die US-Seite bei diesem Treffen Ende März bekannt, dass weitere solche Abkommen mit Drittstaaten angestrebt würden.

Welche Staaten damit gemeint sein könnten, wurde nicht erwähnt. Mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit sind jedenfalls die restlichen zwei „Five Eyes“-Mitglieder, nämlich Kanada und Neuseeland darunter. Warum die USA selbst gleich mehrere solche Abkommen anstreben ist bis jetzt ziemlich unklar. Da praktisch alle großen Internplattformen US-Unternehmen sind, können die USA über den 2019 verabschiedeten „Cloud Act“ ohnehin beliebig auf diesen Daten zugreifen. Weil alle genannten Verhandlungspartner das aber ebenfalls wollen, muss es von ihnen dafür Gegenleistungen geben, denn verschenkt wird bei solchen bilateralen Abkommen nichts.

Wie es weitergeht

Die nächste Verhandlungsrunde zum Thema wurde vor dem Treffen auf Ministerebene für Juni anberaumt, dort werde auch die weitere Vorgangsweise festgelegt. Diese transatlantischen Verhandlungen hängen ja inhaltlich - siehe oben - von der weiteren Entwicklung im laufenden EU-Trilogverfahren ab. Das heißt, es muss zuerst zumindest der Rahmen einer innereuropäischen Regelung festgelegt werden, bevor dieser Rahmen um einen Drittstaat, nämlich die USA, erweitert werden kann.

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