EU-Staaten bremsen bei neuen Kompetenzen für Europol
Von Erich Moechel
Im EU-Ministerrat steht aktuell die Erweiterung der Befugnisse von Europol zur Diskussion. Wie aus einem geleakten, umfangreichen Ratsdokument hervorgeht, das ORF.at vorliegt, stoßen einzelne dieser neuen Kompetenzen im Ministerrat auf erheblichen Widerstand. Die österreichische Delegation hat etwa Vorbehalte gegen die neuen Europol-Befugnisse im Finanzdatenbereich eingebracht.
Auch wenn erst etwa die Hälfte aller geplanten Neuerungen im Rat diskutiert wurden, zeichnet sich schon ab, dass es zwei Punkte mit auffällig vielen Vorbehalten gibt. Nach Willen vieler Staaten soll Europol nicht gestattet werden, Personen von sich aus in das Schengen-Alarmsystem einzumelden. Auf ebensoviel Ablehnung stößt auch die geplante Ermächtigung, nationale Polizeibehörden mit Ermittlungen zu beauftragen.
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Ebenfalls Anfang März hatte der EuGH die neuen Vorratsdatenpläne von Europol zum Start zurückbeordert.
Die Positionen Österreichs im Detail
Der erste der Einwände Österreіchs betrifft die Artikel 4/4B der geplanten Neuregelung (siehe Screenshot oben). Sie referenzieren auf eine EU-Verordnung von 2020, die Investitionen aus Drittstaaten EU-weit kontrollieren soll, wenn diese Investitionen „Auswirkungen auf die Sicherheit oder die öffentliche Ordnung“ haben. Dabei soll Europol beim „Screening bestimmter Fälle ausländischer Investitionen“ technische Unterstützung liefern. Welche Delikte damit konkret gemeint sein sollen, ist unklar, denn der zugehörige Erwägungsgrund 12 enthält kein Beispiel. Österreich ist - wie übrigens auch Deutschland - jedenfalls strikt dagegen, dass Europol dabei irgendeine Rolle spielt.
Zu diesem Thema muss es schon vorher eingehende Diskussionen gegeben haben, denn in der österreichischen Eingabe heißt es wörtlich: „Wir sind immer noch nicht überzeugt, dass diese Aufgabe im Mandat von Europol angesiedelt ist“. Europol sei dafür gegründet worden, die Zusammenarbeit der Strafverfolger zu unterstützen. Wie dem Screenshot zu entnehmen ist, sind „Strafverfolger“ („Law Enforcement Authorities“) fett hervorgehoben, gemeint ist damit: Für Strafverfolgung im nationalen Rahmen zuständig, im Gegensatz zu Europol.
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Finanzmarktaufsicht, Geldwäschemeldestelle, Europol
In der Mitte Februar mit vier Jahren Verspätung erschienenen ersten Ratsversion der E-Privacy-Verordnung wurde eine neue Vorratsdatenspeicherung bereits verankert
Der nächste Einwand Österreichs betrifft die Artikel 7 und 8, hier wurde die einfache Erlaubnis für Europol gestrichen, bei Ermittlungen mit den nationalen „Finance Intelligent Units“ zusammenzuarbeіten. Gemeint sind damit primär die Finanzmarktaufsicht oder die Geldwäschemeldestelle im Innenministerium. Direkte Zusammenarbeit im Finanzbereich dieser Institutionen mit Europol sollte nur nach ausdrücklicher Gestattung durch die Republik Österreich möglich sein und zudem den nationalen Aufsichtsprozessen unterliegen.
Beide Einwände beziehen sich also mehr oder weniger direkt auf Investitionen von Drittstaaten in Österreich, respektive auf Gelder, die von österreichischen Banken verwaltet werden. Geldwäsche und die damit verbundene organisierte Kriminalität mit grenzüberschreitendem Charakter fallen freilich explizit in die Zuständigkeit von Europol. Österreich will sich hier offensichtlich das Recht reservieren, im Rahmen solcher Ermittlungen durch Europol unter Berufung auf nationale Interessen gegebenenfalls Auskünfte zu verweigern und Datenweitergaben an Europol zu blockieren.
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Infrastruktur ja bitte, Daten gibt es aber nicht
2017 startete die erste Europol-Kampagne für eine Vorratsspeicherung temporärer IP-Adressen
Ebenso begrüßt man zwar, dass Europol die Infrastruktur zum Datenaustausch zwischen nationalen Behörden und Privatfirmen stellen wird. Aus dem zugehörigen Erwägungsgrund 34 geht hervor, dass die Kommission Datenzugriff auch für Europol vorgesehen hat, wenn der betreffende Kriminalfall von den Europol-Kompetenzen gedeckt ist. Das heißt, Europol sellbst obläge die Prüfung, ob man berechtigt ist, die Daten mitzulesen oder ob darauf verzichtet werden muss, weil in diesem speziellen Fall ein Zugriff über das Europol-Mandat hinausginge.
Dieser Ansatz passt Österreich offenbar überhaupt nicht ins Konzept. Europol soll erst dann solche Daten überhaupt sehen können, wenn sie vom betreffenden Mitgliedsstaat freigeschaltet werden. In allen drei Fällen wird von der österreichischen Delegation also jeweils ein nationaler Vorbehalt reklamiert, es ist davon auszugehen, dass es nicht bei diesen drei Punkten bleiben wird. Zum einen wurde im Rat erst die Hälfte der geplanten Europol-Kompetenzen diskutiert, andererseits bringt nicht jedes Land sämtliche seiner Einwände auch selber gebündelt ein. Vielmehr ist im Rat Arbeitsteilung üblich, sobald sich die einzelnen Interessensgruppen von Staaten herauskristallisiert haben, werden die Einwände dann zusammengefasst.
Parva Methodica
Des weiteren wird für einen Folgeartikel versucht, aus diesem raren Ratsdokument noch weitere Länderpositionen zu extrapolieren. Es ist sehr selten, dass ein Dokument, das die einzelnen Länderpositionen im Detail enthält, aus diesem notorisch geheimniskrämerischen Diplomatengremium an die Öffentlichkeit kommt. Schon aus methodischen Gründen ist es etwas mühsam zu analysieren, denn die Einwände der Mitgliedsstaaten beziehen sich auf den Kommissionsentwurf vom Dezember 2020. Der wiederum listet nur die geplanten Neueregelungen auf, der Kontext aber fehlt, daher muss noch ein drittes Dokument zum Vergleich herangezogen werden, nämlich die Europol-Verordnung von Rat und Parlament von 2016.
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Publiziert am 21.03.2021