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1998-02-09  spudich übersetzt für quintessenz

ClintanicWenn Sex doch kein Sex ist


Spudich übersetzt

Sollte US-Präsident Clinton jemals in ein Amtsenthebungsverfahren wegen des Lewinsky-Mists verwickelt werden, kann man darauf wetten, daß "orale Argumente" niemals wieder dasselbe sein werden.
Ein Witz?
Ganz und gar nicht.
Eine legitime Möglichkeit.
Denn die Hinweise mehren sich, daß die Frage ob oraler Sex überhaupt Sex ist - stimmt, klingt wie aus einem Party-Spiel für Erwachsene - zur Grundlage der Clintonschen Verteidigungsstrategie wird.

Diese Logik scheint so verzwickt wie eine Position des Kama Sutra, aber Clintons potentielles Argument (das hochrangige Vertraute des Präsidenten bereits an TIME-Reportern ausprobierten) beruht auf zwei grundlegen präsidentiellen Leidenschaften, die eine bisher nur behauptet, die andere seit langem bewiesen.
Die behauptete Leidenschaft ist die für Fellatio.

First Hug
Einem Rechtsanwalt zufolge, der Ohrenzeuge ist, zeigen die Lewisnky-Bänder in Hinblick auf Intimitäten, daß der berüchtigt unbesonnene Clinton ein play-it-safe-Puritaner ist.
Sich über sich selbst als die künftige "Sonderassistentin des Präsidenten für Blow Jobs" lustig machend, soll Lewinsky Linda Tripp erzählt haben, dass Clinton sehr streng ihren Kontakt auf Oralsex begrenzte. In seinem Alter, soll er ihr gesagt haben, "kann man einen Geschlechtsverkehr nicht riskieren".

Die zweite, erwiesene, Leidenschaft Clintons (Achtung: Wortspiel!) gilt cundiger Linguistik.
Mal um Mal entkam er seinen Feinden und Kritikern mittels cleverer Wortspiele.
Wann ist Hasch rauchen kein Hasch rauchen?
Clinton hatte eine Antwort auf dieses Paradoxon. Und nach Angaben eines Arkansas State Trooper, der in dem plötzlich zahm wirkenden Troopergate-Skandal verwickelt ist, kann Clinton sogar ein noch schwierigeres Rätsel lösen:
Wie ist das Beschwindeln der eigenen Ehefrau unter Einhaltung der Zehn Gebote möglich?
Im American Spectator gab der State Trooper zum besten, daß Clinton ihm gesagt habe, diese Frage in der Bibel recherchiert und herausgefunden zu haben, dass Oralsex kein Ehebruch sei.

Das alles addiert sich zu einem gesetzlichen Nadelöhr, dass enger als ein richtiges Nadelöhr ist, durch das aber dennoch leichter als durch eine Gefängnismauer zu kommen ist. Für einen Meineid, sagt das Gesetz, ist es notwendig, dass jemand eine Aussage tätigt, die seinen tatsächlichen Ansichten widerspricht.
Wenn also Clinton glaubt, dass der Sex, von dem er leugnet, dass er ihn mit Lewinsky hatte, und zu deren Verleugnung er angeblich auch Lewinsky aufforderte, nicht wirklich Sex sondern bloss eine Massagetechnik für Fortgeschrittene ist, dann ist es tatsächlich möglich, dass er zwar einer bizarren religiösen Marotte, nicht aber eines Bundesverbrechens schuldig ist.

Was uns zu dem ehrenhaften Buch zurückbringt, auf das der Präsident vielleicht eines Tages einen Eid schwören muss.
Was hat uns die Bibel, die der aktive Baptist Clinton zur Reinigung seines Gewissens konsultiert hat, in Sachen mündlicher Intimitäten zu sagen?
Wenig überraschen, nichts. Nichts spezifisches. Aber wer zwischen den Zeilen lesen will, Interview, in dem er gestand, er habe im Herzen Ehebruch begangen und sich damitwahrscheinlich zum einzigen Präsidenten machte, der etwas gestand, wessen ihn absolut keiner verdächtigt hätte?
Jedenfalls kannte Jimmy seine Bibel besser als manch andere Folks. Hier hören wir Jesus in der Bergpredigt:
"Wahrlich, ich sage Euch: Wer mit Lust einer Frau nachsieht, hat mit ihr in seinem Herzen bereits Ehebruch begangen."
Solche Lehren scheinen Oralsex-Rezipienten wenig Spielraum zu lassen, obwohl es nicht gerade wasserdicht ist. Schliesslich kann der Beschuldigte immer noch behaupten, er hätte die Augen geschlossen lassen.

Obwohl es also nirgendwo in der Heiligen Schrift vorkommt, gibt es für die Oralsex-ist-kein-wirklicher-Sex Doktrin einige weltliche moderne Präzedenzfälle.
Nach Angaben des Black Rechtswörterbuches ist Oralsex, technisch gesehen, kein Ehebruch (obwohl es in einigen US-Bundesstaaten Sodomie, somit ein Kapitalverbrechen ist).
Mehr noch, berichtet die kalifornische Sozialpsychologin Debbie Then, es sei häufig unter freiberuflichen amerikanischen Männern, Oralsex als eine Art moralisches Gratisgeschenk einzustufen. Sexuelles Brauchtum stärkt diese Auffassung den Rücken. Im allgemeinen verlangen weibliche Prostituierte für Fellatio weniger als für Geschlechtsverkehr.
Und Teenager, die zwar Oralsex ausgeteilt haben aber noch nicht vaginal penetriert wurden neigen dazu, sich weiterhin als Jungfrauen zu sehen.

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Wenn sich also der Präsident je im Stich gelassen fühlen sollte in seiner angeblichen selbstgestrickten, massgeschneiderten Theologie, mag es ihm trösten, dass er sich nicht weiter als bis Capitol Hill umschauen muss, um gleichgesinnte erotische Apologeten zu finden.
Anbetracht überwältigender Belege, dass er in Oralsex ausserhalb seiner Ehe geradezu gebadet hat, nahm der demokratische Senator Charles Robb aus Virginia bei seinem Wahlkampfauftakt 1994 auf geradezu clintonesque, jesuitische Art den Mund voll:
"Ich habe nichts getan was ich meiner Frau gegenüber als Untreue empfinde, und sie ist die einzige Frau die ich jemals liebte, mit der ich geschlafen habe oder seit meiner Hochzeit eine koitale Beziehung hatte."
Newt Gingrich wurde gleichfalls mit dieser Verteidigungslinie bereits in Zusammenhang gebracht, obwohl nur aus zweiter Hand. Ein Proträt in Vanity Fair 1995 zitierte eine alte Flamme mit den Worten:
"Wir hatten Oralsex. Er zog diesen modus operandi vor, weil er dann sagen konnte, dass er nie mit mir geschlafen hat."

Solche technischen Details würden wahrscheinlich keine Jury aus den Herzländern Amerikas überzeugen, aber dies ist es nicht, wo Clinton beurteilt wird, wenn es je zu einem Amtsenthebungsverfahren kommen sollte. Durch eine unglaublich glückliche Fügung der Verfassung würde Jury und Richter des Präsidenten der Senat sein - bis neulich die Heimat von Bob Packwood und noch immer das Haus von Chuck Robb und Ted Kennedy.
Clinton könnte dort schon Gerechtigkeit finden.
Auf jeden Falle würde er eine Jury von Gleichartigen vorfinden.


Von Walter Kirn, unter Mitarbeit von Jay Branegan, James Carney, J.F.O. McAllister und Victoria Rainert,
mit Dankbarkeit unauthorisiert aus TIME Magazin zitiert und vom PolitBuro in die hiesige Sprache übertragen.