zur Netzteil-Hauptseite | 30. 6. 97 |
Communications Decency Act verfassungswidrig Am Donnerstag, den 26.Juni 1997 um 10 Uhr Ortszeit erklärte das amerikanische Höchstgericht, der Supreme Court, Teile des als Communications Decency Act bekanntgewordenen Gesetzes zur Regulierung von Inhalten am Internet für verfassungswidrig uns zog damit vorerst den Schlußstrich unter einen achtzehn Monate dauernden Rechtsstreit um die Meinungsfreiheit am Internet. 1. Der Communications Decency Act Im Zuge der von Präsident Clinton 1995 forcierten Liberalisierung des amerikanischen Telekommunikationssektors wurde im Kongress auch wiederholt eine Einschränkung des Schmutzes am Internet gefordert. Im Sommer 1995 schlug Senator Exon dazu einen weitreichenden Zusatz zum geplanten Telecommunications Act vor und versuchte seine Kollegen mit Hilfe einer Sammlung von schockierenden pornografischen Bildern, die aus dem Internet stammten zu überzeugen. Dieser CDA, zitiert als Titel 47 USC § 223(a)(1)(B)(ii) stellt obszöne und unanständige Nachrichten am Internet unter Strafe, falls diese wissentlich an Personen unter achtzehn Jahren zugänglich wurden. 2. Die Rechtslage in den USA: Die Meinungsfreiheit in den USA ist durch den ersten Zusatzartikel zur amerikanischen Bundesverfassung (First Amendment) grundrechtlich geschützt. Obwohl der Wortlaut dieses First Amendment absolut klingt ("no laws"), ließ die Rechtsprechung in den USA unter bestimmten Voraussetzungen Einschränkungen des Grundrechtes zu. So können durch Gesetze die Zeit, der Ort und die Art der Meinungsäußerung (Time, Place and Manner Restrictions) innerhalb eines breiten Rahmens reguliert werden. Es verstößt etwa nicht gegen das Grundrecht auf Meinungsfreiheit, wenn eine Gemeinde das Fahren mit Lautsprecherwagen am frühen Morgen verbietet. Entscheidend für die Zulässigkeit dabei ist allerdings, daß alle Meinungsäußerungen unabhängig von ihrem Inhalt auf gleiche Weise beschränkt werden. Denn das amerikanische Höchstgericht legt bei der Beschränkung von bestimmten Inhalten der Meinungsäußerung durch gesetzliche Bestim-mungen einen außerordentlich strengen Maßstab an. In der Regel er-klärt der Supreme Court inhaltliche Beschränkungen für verfassungs-widrig. Ausgenommen und damit durch Gesetze beschränkbar sind nur einige wenige, durch jahrezehntelange Rechtsprechung festgelegte Bereiche. Dazu gehören Obszönitäten (ds pornografische Inhalte), Ehrenbeleidigungen (allerdings nur unter ganz bestimmen Voraus-setzungen) oder bestimmte Äußerungen in Zeiten klarer und gegen-wärtiger Gefahr (etwa zu Kriegszeiten). Manche Medien, etwa Radio und Fernsehen, können durch Gesetze auch weitergehend beschränkt werden. So hat das Höchstgericht festge-halten, daß in diesen Medien auch unanständige Inhalte (zB die sieben schmutzigen Wörter, darunter shit, piss, fuck, cunt) reguliert werden können, indem etwa festgelegt wird, daß sie erst am späten Abend oder durch andere Schranken (Pay-TV, V-Chip) Kindern und Jugendlichen nicht oder kaum zugänglich werden. 3. Das Gerichtsverfahren: Unmittelbar nach der Verabschiedung des CDA erhoben eine Reihe von amerikanischen Bürgerechtsbewegungen Feststellungsklage und beantragten eine einstweilige Verfügung (temporary restraining order), die von ihnen bekämpften Stellen des CDA nicht anzuwenden. Das Erstgericht stimmte den Bürgerrechtsbewegungen in ihrer rechtlichen Beurteilung zu und erließ die einstweilige Verfügung. Die amerikanische Regierung berief. Das Berufungsgericht - ebenfalls ein Bundesgericht erster Instanz - bestätigte die Entscheidung des Erstgerichtes. Die amerikanische Regierung berief auch gegen diese Entscheidung und brachte das verfahren direkt vor den Supreme Court. Dieser nahm im Herbst 1996 den Fall zur Entscheidung an (granted certiori) und entschied nun in letzter Instanz, indem er ebenfalls die beiden Entscheidungen vollinhaltlich bestätigte. 4. Das Urteil: Als verfassungswidrig bekämpft wurde NICHT der gesamte CDA, sondern lediglich die Kriminalisierung von unanständigen Inhalten. Das Verfügbarmachen von pornografischen (obscene) Inhalten ist strafbar und war nicht Gegenstand des Gerichtsverfahrens. Der Supreme Court hob die Beschränkung von unanständigen Inhalten als verfassungswidrig auf. Er folgte damit seiner jahrezehntelangen Rechtsprechung: Nur besondere Gruppen von Inhalten können gesetzlich reguliert werden. Unanständige Inhalte fallen nicht darunter. Auch sei, so stellte das Supreme Court fest, das Internet kein besonderes Medium, etwa wie Fernsehen oder Radio, das besonderen Regulierungen bedürfe. 5. Die Konsequenzen für die Welt / Österreich:
|