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23.6.97Netznachrichten


Gesetzesvorlage des Telekommunikationsgesetz ist europarechts- und verfassungswidrig

Die österreichische Bundesregierung bereitet die Neufassung des Telekommunikationsgesetzes (TKG) vor. Der neueste, nunmehr dritte TKG-Entwurf wurde ohne voriges Begutachtungsverfahren dem Parlament zugeleitet und bereits dem Verkehrsausschuß zur Behandlung zugewiesen.
Wir haben - wie schon den letzten Entwurf - auch diesen Entwurf begutachet. Dabei mußten wir frappante Mängel feststellen.

  1. Verweis auf die ”TK-Datenschutz-Richtlinie“

In der Gesetzesvorlage werden neue Regelungen immer wieder mit einer europäischen Richtlinie begründet (TK-Datenschutz-Richtlinie), die von der EU noch gar nicht verabschiedet wurde.

  2. ”Fangschaltung“

Das Telekommunikationsgesetz definiert zum ersten Mal den Umfang des verfassungsrechtlich geschützen Fernmeldegeheimnisses. Von diesem Fernmeldegeheimnis umfaßt sind auch Vermittlungsdaten (zB die Nummern der angerufenen Teilnehmer). In dieses Fernmeldegeheimnis darf nur mit richterlichen Befehl eingegriffen werden.

In Zukunft - geht es nach den neuen Normen des TKG - kann jeder Einzelne von den Telefongesellschaften eine Liste mit den Telefonnummern aller erhalten, die bei ihm angerufen haben. Er muß dazu nur glaubhaft machen, belästigt worden zu sein und die entsprechende Gebühr zahlen. Mit anderen Worten: Durch das TKG gibt es ab sofort eine Art ”Lauschangriff für jedermann“. Der grundrecht-liche Richtervorbehalt wurde einfach beiseite geschoben. Das ist verfassungswidrig.

In den Anmerkungen zum TKG wird angeführt, daß diese Regelung durch die EU bestimmt werde. Das ist unzutreffend. Selbst die EU erlaubt die Fangschaltung ausdrücklich nur ”in Gemäßheit nationaler Gesetze“.

  3. Einzelentgeltnachweis:

Die in der Gesetzesvorlage so oft zitierte, jedoch noch nicht verabschiedete EU-Richtlinie sieht vor, daß Telefongesellschaften in Zukunft ihren Kunden grundsätzlich die Rechnung in Form eines Einzelentgeltnachweises zur Verfügung stellen müssen. Das ist eine Rechnung, auf der jedes geführte Gespräch mit der Rufnummer, dem Datum, der Dauer und den Gebühren angeführt ist. Nur so kann nach dem Willen der EU sichergestellt werden, daß für den Konsumenten die Telefonrechnungen auch nachvollziehbar werden.

Von diesem Grundsatz weicht das TKG ab. Es sieht den Einzelent-geltnachweis als gebührenpflichtige Ausnahme vor. Das widerspräche der EU-Richtlinie, sobald sie verabschiedet werden würde, und schriebe auch für die Zukunft fest, daß man in Österreich als Konsument dafür zahlen muß seine Telefonrechnung überprüfen zu können.

  4. ”Provider-Haftung“:

Wer in Österreich einen Zugang zum Internet anbietet, zittert mitunter. Denn abgesehen von den vielfältigen strafrechtlichen Normen sieht § 16 des bisher gültigen Fernmeldegesetzes vor, daß dieser Zugangsanbieter (”Access-Provider“) sowohl für die Geheimhaltung als auch für die Legalität und Sittlichkeit der übertragenen Inhalte nach Maßgabe der Möglichkeiten verantwortlich sei.

Diese Grätsche, die kein Access-Provider schaffen kann, sollte durch das TKG entschärft werden und gleichzeitig die grundsätzliche Haftung auf die Inhaber der Fernmeldeendgeräte ausdehnen. So hat man in § 75 Abs 2 TKG den Access-Provider einfach zum ”Nicht-Inhaber“ von entsprechenden Anlagen gemacht und gehofft, damit das Problem zu lösen. Weit gefehlt.

Denn wenn sich die Access-Provider jetzt freuen, ist das zu früh. Das TKG verabsäumt klarzustellen, daß die strafrechtliche Verantwortlichkeit für die Access-Provider nach wie vor besteht.

Hier wäre die deutsche Lösung im kürzlich verabschiedeten IuKD-Gesetz viel besser gewesen: Dort steht in vier Absätzen einfach und umfassend, wer wann für was wie haftet.

  6. Schlußbemerkungen:

Auch für den neuen Entwurf gilt in Summe das bereits für den Entwurf Dezember 1996 gesagte:
In vielen Bereichen sind kleine, aber signifikante Schritte spürbar. Trotzdem blieben die zentralen verfassungs- und europarechtlich bedenklichen Formulierungen erhalten, deren rasche Korrektur vor der endgültigen Verabschiedung wir dringend empfehlen, wenn das TKG trotz langer Entwurfphase nicht das Schicksal der ”Werkvertragsregelung“ teilen soll.


Ass.Prof.Dr. Gabriele Schmölzer
Institut für Strafrecht, Strafprozeßrecht und Kriminologie
Karl-Franzens-Universität Graz
8010 Graz
Email:  SCHMOELZ@kfunigraz.ac.at
Tel. 0316-380-6681

Dr. Viktor Mayer-Schönberger
Institut für Römisches Recht und Antike Rechtsgeschichte
Universität Wien
1010 Wien
Email:  Viktor.Mayer-Schoenberger@univie.ac.at
Tel. (01)-5321050-303


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