Stellungnahme zum
"Entwurf eines Bundesgesetzes betreffend die Telekommunikation
(Telekommunikationsgesetz - TKG)"
Die österreichische Bundesregierung bereitet die Neufassung des Telekommunikationsgesetzes (TKG) vor. Dazu wurde ein Textentwurf im Dezember 1996 zur Begutachtung veröffentlicht. Unsere Stellungnahme bezieht sich auf diesen Textentwurf.
1. Begriffsbestimmungen
Anders als noch im Entwurf vom Sommer 1996 und anders als im geltenden FG finden sich im gegenständlichen Entwurf keine Begriffsbestimmungen. Statt dessen wird ganz allgemein auf "die den Anwendungsbereich dieses Bundesgesetzes betreffenden Richtlinien des Rates und der Kommission der Europäischen Gemeinschaft" verwiesen. In den Anmerkungen wird dies damit begründet, daß das Aufführen und Bestimmen der einzelnen Begriffe "im Hinblick auf die Vielzahl" "den Rahmen dieses Gesetzes über Gebühr beanspruchen würde".
Diese Vorgehensweise erachten wir verfassungsrechtlich als in mehrfacher Hinsicht bedenklich:
* Der VfGH hat in ständiger Rechtsprechung darauf hingewiesen, daß eine Norm dann verfassungswidrig ist, wenn nur durch akribisches und bibliothekarisches Forschen ihr Inhalt erkundet werden kann. Der allgemeine Verweis auf weder dem Titel noch dem Zitat nach bezeichnete und damit undefinierte Richtlinien der Institutionen der Europäischen Union zur Konkretisierung von Begriffen, auf denen das TKG aufbaut, ist fragwürdig.
* Offen bleibt auch die Frage, ob und inwieweit der nationale Bundesgesetzgeber auf eine Norm verweisen kann, die er selber nicht geschaffen hat; im besonderen, weil RL national nicht direkt anwendbares Normenmaterial beinhalten, sondern sich lediglich an die nationalen Gesetzgeber richten.
* Nicht gelöst ist weiters die mit der Formulierung im Entwurf verbundene Problematik der dynamischen Verweisung.
Besonders problematisch erscheint uns aber die Tatsache, daß die auch in den Anmerkungen immer wieder als Faktum zitierte "TK-Datenschutz-Richtlinie" der EU bisher nicht existiert. Es liegt lediglich eine "common position" vorher. Mit einer Verabschiedung ist frühestens im Frühsommer zu rechnen. Damit verweist das österreichische TKG, sollte es vor der Verabschiedung der RL vom österreichischen Parlament beschlossen werden, auf ein Normenwerk, das es nicht gibt, um die für seine eigene Anwendung notwendigen Begriffe zu bestimmen. Das ist absurd.
Unklar ist, warum der Entwurf den Eindruck vermittelt (vermitteln soll?), daß die TK-DS-RL bereits verabschiedet wäre. Überall dort, wo diese Behauptung als Argumentationshilfe für gewählte Formulierungen dient, geht sie jedenfalls ins Leere.
Im übrigen zeigt das Beispiel des deutschen TKG, daß dieser Gesetzgeber die Begriffsbestimmungen sehr wohl ohne größeren Aufwand in das Gesetz einfügen konnte. Ganze zweieinviertel Seiten sind diese Begriffsbestimmungen lang. Ein Umfang, der nicht nur nicht übermäßig erscheint, sondern alleine schon aufgrund der Tragweite des TKG im Namen der Rechtssicherheit kein schlagkräftiges Argument gegen die Aufnahme darstellt.
2. "Provider"-Haftung:
§ 16 des geltenden FG sieht eine sehr diffuse Haftungsbestimmung für den Anbieter von Telekomdiensten vor. Diese Regelung wurde in der Literatur wiederholt kritisiert, weil sie eine gleichzeitige - und damit undurchführbare - Verpflichtung zur Geheimhaltung und zur inhaltlichen Kontrolle vorsah.
Im nun vorliegenden Entwurf wurde diese Haftungsregelung nahezu wortgleich übernommen. (§ 7.9 des Entwurfes) Die Situation wurde darüber hinaus noch verschärft, indem nun alle "Inhaber von Funkanlagen und Endgeräten" - und damit neben den Telekom-Diensteanbietern nun auch alle Telekom-Kunden in die Pflicht genommen werden sollen. Das erweitert den personalen Anwendungsbereich, jedoch ohne die damit verbundenen Sorgfaltspflichten zu konkretisieren.
Im Gegenteil: Im Gegensatz zum geltenden FG präzisiert der Entwurf erstmals das "Fernmeldegeheimnis" (§ 10.2 des Entwurfes) und schließt jegliche Überwachung des Fernmeldeverkehres außerhalb der Bestimmungen der StPO aus. Wie aber kann dann ein Diensteanbieter seiner in § 7.9 des Entwurfes normierten Verpflichtung nachkommen, alle geeigneten Maßnahmen zu ergreifen, die "jede Nachrichtenübermittlung, welche die öffentliche Ordnung und Sicherheit oder die Sittlichkeit gefährdet oder welche gegen die Gesetze verstößt", ausschließt?
Gerade eingedenk der Debatte des letzten Jahres wäre diese Bestimmung zu entflechten: In § 7.9 Abs. 2 Entwurf wäre zwischen Nachrichtenübermittlungen, die dem Fernmeldegeheimnis unterliegen und bei denen sich die Sorgfaltsverpflichtung des Abs. 1 lediglich auf die Geheimhaltung beziehen kann, und den übrigen Nachrichtenübermittlungen zu unterscheiden, für die eine allfällige inhaltliche Haftung wie sie § 7.9 Abs. 2 Z 1 und 2 vorsehen jedenfalls systematisch denkmöglich ist. Eine weitere Präzisierung sowie Differenzierung der zu treffenden Maßnahmen müßte dieser "Pflichten-Entflechtung" folgen.
3. Fangschaltung
Die nunmehrigen Vorstellungen über die Regelung betreffend "Fangschaltungen, Belästigende Anrufe" finden sich in § 10.12 des Entwurfes, wobei bereits die Wahl der Überschrift symptomatisch für die Veränderung in Relation zum Sommer-Entwurf ist; damit ist das Ende der diesbezüglichen Überarbeitung aber auch schon erreicht. Das bedeutet, daß eine Fangschaltung oder die Aufhebung der Unterdrückung der Rufnummernanzeige gegen Entgelt zur Verfolgung belästigender Anrufe auf Wunsch eines Teilnehmers einzurichten ist. Das Ergebnis ist diesem bekanntzugeben.
Daraus ergibt sich, daß alle zur Formulierung des ersten Entwurfes gestellten Fragen offen geblieben und unter dem Aspekt der ebenfalls vorgesehenen Zweckbindung der Fangschaltung bzw. Rufnummernunterdrückung - der Verfolgung belästigender Anrufe - noch zu ergänzen sind. Abgesehen davon, daß kein Hinweis darauf besteht, was belästigend ist, wer darüber entscheidet, ob diese Voraussetzung tatsächlich vorliegt, oder ob sie vielleicht nur behauptet werden muß, erscheint der Terminus der "Verfolgung" unpassend. Selbst die entsprechende Anmerkung zum Gesetzestext weist darauf hin, daß es dem so informierten belästigten Teilnehmer freisteht, welche - behördlichen oder außerbehördlichen - Schritte er nach Bekanntgabe des Fangschaltungsergebnisses setzt.
Darüber hinaus fehlen nach wie vor Überlegungen zum Umgang mit den entstehenden Datenbeständen und deren Vernichtung, wie auch Regelungen der Informationspflicht dem Betroffenen gegenüber, wie es etwa das deutsche TKG vorsieht.
Ungeklärt bleibt im Entwurf auch der Zusammenhang zwischen dem subjektiven Recht des Anrufers auf Rufnummernanzeigeunterdrückung (§ 10.11 Entwurf) und dem Recht des Angerufenen auf Fangschaltung (§ 10.12 Entwurf).
Das darf auch nicht überraschen. Denn der gesamte Zusammenhang zwischen Fangschaltung/Rufnummernanzeige und dem verfassungsrechtlich gewährleisteten Grundrecht auf Datenschutz (§ 1 Abs. 1 DSG), auf dessen konkrete Ausgestaltung in den §§ 17, 18 DSG der Entwurf in § 10.5 ausdrücklich verweist, bleibt im Dunkeln. So fehlen bei der Zulässigkeit der Ermittlung der Fangschaltungsdaten die Überlegungen zur Schutzwürdigkeit der Interessen des dadurch Betroffenen. Es fehlt die für die Rechtsstaatlichkeit der Übermittlung zwingende Prüfung und Feststellung des überwiegenden berechtigten Interesses des angerufenen Teilnehmers. Eine populistische Pauschalargumentation, etwa dahingehend, daß die Interessensabwägung generell gegen den Betroffenen auszugehen habe, reichte wohl nicht.
Die größten Bedenken im Bezug auf die Verfassungskonformität der Fangschaltungsregelung des Entwurfes ergeben sich aber in Zusammenhang mit dem in § 10.2 des Entwurfes normierten Fernmeldegeheimnis. Gerade auch im Hinblick auf den Verweis in § 7.9 des Entwurfes ist davon auszugehen, daß durch § 10.2 das in Art. 10a StGG normierte Fernmeldegeheimnis inhaltlich präzisiert werden soll.
Durch die nun vorgeschlagene weite Fassung des Fernmeldegeheimnisses würden aber auch die äußeren Gesprächsdaten iwS, also die durch die Fangschaltung aufgezeichneten Datenbestände ausdrücklich unter den grundrechtlichen Schutzbereich des Art 10a StGG fallen.
Damit aber wäre wohl die Verfassungswidrigkeit der Fangschaltungsregelung des § 10.12 des Entwurfes indiziert. Denn das Fernmeldegeheimnis des Art. 10a StGG normiert einen Richtervorbehalt als Eingriffsvoraussetzung. Die Fangschaltung hingegen kann nach dem Entwurf einfach auf Wunsch des Betroffenen erfolgen - ohne richterliche Anordnung.
Diesem Dilemma wird bei der Überarbeitung des Entwurfes zu begegnen sein, da sowohl eine das Fernmeldegeheimnis nach § 10.2 einschränkende Interpretation als auch eine Differenzierung zum identen Begriff des StGG auszuschließen ist.
In den Anmerkungen zur Fangschaltungsregelung wird auf die "wesentlich liberalere Bestimmung des Art. 9 TK-DatenschutzRichtlinie" verwiesen. Daß es bis dato keine TK-DS-RL sondern lediglich eine "common position" gibt, wurde bereits dargelegt.
Hinzukommt, daß es sich bei Art. 9 lediglich um eine Ausnahmeregelung zur Rufnummernanzeige nach Art. 8 TK-DS-RL handelt. Eine pro-aktive Fangschaltung durch den Diensteanbieter, wie es der TKG-Entwurf vorsieht, ist dadurch - entgegen der Anmerkungen - nicht umfaßt. Art. 9 lit. a TK-DS-RL-Entwurf stellt darüber hinaus auf eine "application" und nicht nur auf einen Wunsch des Teilnehmers ab. Auch liegt das materielle Substrat in "malicious or nuisance calls"; dies verlangt wohl einen gravierenderen Eingriff als nur "belästigende Anrufe".
Die in Art. 9 RL-Entwurf beschriebene Vorgangsweise stellt in weiterer Folge darauf ab, daß die so gesammelten Daten "will be stored and be made available by the provider". Damit ist jedenfalls nicht fixiert, daß die gewonnenen Informationen - wie es der österreichische Entwurf vorsieht - automatisch dem Teilnehmer bekanntzugeben sind.
Darüber hinaus sieht Art. 9 RL-Entwurf diese Ausnahmeregelungen der Weitergabe der Informationen an den Teilnehmer nur "in accordance with national law" vor. Daher geht die Argumentation in den Anmerkungen, Art. 9 sehe eine liberale Bestimmung vor, ins Leere. Die vorgeschlagene Regelung des österreichischen TKG-Entwurfes geht weit einerseit sin seiner Geringschätzung der Betroffenenrechte weit über die Ideen der noch nicht einmal verabschiedeten "common position" der TK-DS-RL hinaus, andererseits werden nicht einmal die oben angeführten Mindestvoraussetzungen übernommen.
Eine erste Orientierungshilfe für eine klarere Umsetzung des Art. 9 RL-Entwurf stellt wohl die Regelung der Fangschaltung nach dem deutschen TelekommunikationsG (dTKG) (§ 89 Abs. 2 Z 3 lit b) dar.
4. Einzelentgeltnachweis
Die Umsetzung des grundsätzlichen Einzelentgeltnachweises ist ein großer, wichtiger und positiver Schritt in Richtung Transparenz und Überprüfbarkeit. In diesem Zusammenhang darf nicht vergessen werden, daß dieses "Service" - der Nachweis der Richtigkeit der Telekommunikationsrechnung an Hand der einzelnen Transaktionen - in österreich bisher bezahlt werden mußte - eine in der Marktwirtschaft eigentümliche Situation.
Die Formulierung in § 10.8 Abs. 3 des Entwurfes, nach dem "die passiven Teilnehmernummern" nur in verkürzter Form ausgewiesen werden dürfen, ist freilich erläuterungsbedürftig. Denn was sind "passive Teilnehmernummern"? Erneut rächt sich die Entscheidung, keine Begriffsbestimmungen zu führen. Auch der statt dessen angeführte Verweis auf die "Richtlinien" der EU gibt wenig her: im TK-DS-RL-Entwurf findet sich keine Begriffsbestimmung für "passive Teilnehmernummern".
Wenn "passive Teilnehmernummern" die Telefonnummern der den Teilnehmer Anrufenden sind - diesen Schluß ließe die Formulierung in RL-Entwurf "to reconcile the rights of subscribers receiving itemized bills with the right to privacy of calling users and called subscribers" zu - dann bleibt ungeklärt, warum diese Anrufe überhaupt auf einem Einzelentgeltnachweis zu vermerken sind, werden doch die Gebühren ohnehin vom Anrufenden getragen. Sind mit "passiven Teilnehmernummern" hingegen die Telefonnummern des vom Teilnehmer Angerufenen gemeint, dann entspricht diese Regelung zwar der bestehenden Gesetzeslage in österreich. Mehr Transparenz in die Abrechnung bringt sie jedoch nicht, da die Verkürzung der angeführten Rufnummern durch Weglassen der letzten fünf Ziffern ein sinnvolles Nachvollziehen der Rechnung durch den Konsumenten unmöglich macht.
Der Teilnehmer müßte wenigstens dann einen vollständigen Einzelgebührennachweis ohne Nummernverkürzung erhalten können, wenn alle, die dieses Endgerät benutzen können (etwa alle Familienmitglieder) ihre Zustimmung dazu gegeben haben. Dann steht auch kein datenschutzrechtliches Interesses eines Betroffenen diesem Recht entgegen - im Gegenteil, es entspräche vielmehr dem allgemeinen datenschutzrechtlichen Auskunftsrecht. Diese systemkonforme Lösung läßt auch der TK-DS-RL-Entwurf zu.
5. Schlußbemerkung:
Grundsätzlich ist festzuhalten, daß der TKG-Entwurf vom Dezember 1996 in vielen Bereichen einen deutlichen und nachhaltig positiven Fortschritt zum TKG-Entwurf vom Sommer 1996 darstellt. In den von uns näher untersuchten Teilbereichen wurden jedoch auch im neuen Entwurf mannigfaltige und gravierende Regelungsprobleme bis hin zur Verfassungswidrigkeit offenkundig, deren Korrektur vor der endgültigen Vorlage des Entwurfes wir dringend empfehlen.