Der Standard-Net-Notes

Österreichische Netzarchäologie

6. 5. 1996

Nachdem die Nebel der universitären Vorzeit lange genug über den Keilschriftgrafiken des ASCII-Code gewallt hatten, brach auch bei uns dahoam im Netz eine Art von mythischem Riesenzeitalter an. Siehe, schon heben sich die Server von Telekom und PSK, Bank Austria aus den Wassern des Datenstroms, wo erste Null-Beta-Versionen von Netscape zirkulieren und ähnliches bewirken werden, was ein Äon zuvor in der West-Hemisphäre der Mosaic-Browser ausgelöst hatte: ein explosives Wachstum jenseits des Evolutionsbegriffs. Selbiges spielte sich in unseren Breiten vor rund einem Jahrtausend um die Ifabo 95 ab, aus steigenden Zugriffsraten erwuchs Kultur.

Wo erste Jäger- und Sammlertruppen beim Thing zusammenkamen, oder das ORF-Testbild ins Kyberall entführten, beziehungsweise ins gleichfalls prähistorische Cafe Stein, treibt mittlerweile der Handel eine vorsichtige Blüte. Heimische Rhapsoden tragen erste Audio-Kolumnen vor und das Gebaren so mancher Software-Kabbalisten erinnert schon an Wissenschaft. Zusammen mit dem Aufkommen von Architektur und Kunst weist dies auf das Bevorstehen einer Art Netz-Antike hin, weil eben heutzutage eines wie tausend Jahre ist. Vorwärts alsdann, und nicht vergessen, wo diese ungeheure Beschleunigung entstand: daß unser Tempo, auf dem wir reiten, jenes von urzeitlichen Großrechnern für Feuerleitzentralen und ballistischen Massenvernichtungswaffen ist.

Erich Möchel