Der Standard-Net-Notes

Briefgeheimnis im Internet

16. 01. 1996

Der Software-Autor Phil Zimmermann wird, wie berichtet, nunmehr von den US-Behörden in Ruh gelassen, am Status Quo ändert sich nichts: Wer Verschlüsselungsprogramme mit mehr als vierzig Stellen im Internet anbietet, verstößt gegen das US-Kriegswaffenexportgesetz. Um e-mail gegen Mitleser zu sichern, die überall entlang des "Postwegs" Zugriff haben, sind in den USA bis jetzt noch Codes mit 128 bit erlaubt, in Frankreich dürfen seit dem Kryptographieverbot von 1990 nur "Postkarten" versendet werden, auch in Rußland sind "Briefumschläge" nicht erlaubt. In diese trauten Termini faßt eine Initiative an der Uni Linz ihr Positionspapier, das einfach fragt, ob ganz normale Bürgerrechte wie das Briefgeheimnis etwa im Internet nicht gültig seien. Bei der zuständigen EU Kommission, die ein betreffendes Gesetz gerade vorbereitet, haben die schweigsame Herren mit den großen Rechnern, denen Elektrobriefumschlag und Versiegelung ein Greuel sind, ihre Wünsche schon deponiert. "Exekutive und Strafverfolger" wollen, selbverständlich im Namen der sogenannten "Sicherheit", nicht weniger und nicht mehr als den Zweitschlüssel für jeden privaten Briefkasten im Internet mit Zugriffsmöglichkeit ad libitum, ohne den Eigentümer darüber zu informieren. Was momentan unter dem Begriff der "Sicherheit" sonst noch zu verstehen ist, weist die neue Website der "Guardian Angels" aus. Als "CyberAngels" versprechen sie "blacklists" über "cyber criminals" anzulegen - haben wir das verdient, eine alternative Kyberei?

Mail: Erich Möchel